Initiativstellungnahme von Frauenhauskoordinierung: Forderungen zur Reform des Familienrechts

Mit Blick auf den Koalitionsvertrag von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP nimmt Frauenhauskoordinierung Stellung zu den geplanten Änderungen im Familienrecht und fordert eine stärkere Berücksichtigung gewaltbetroffener Frauen und Kinder.

Justitia-Statur mit verbundenen Augen hält in der linken HAnd ein Schwert, in der rechten hat sie ein Kind an der Hand.

Frauenhauskoordinierung (FHK) begrüßt die Ansätze zu Reformüberlegungen im Familienrecht. Allerdings findet dabei die besondere Situation gewaltbetroffener Frauen und ihrer Kinder zu wenig Beachtung. „Partnerschaftliche Betreuung“ oder ein Wechselmodell sind bei einer durch Gewalt gestörten Elternschaft nicht geeignet. Dies darf auch nicht über „die Hintertür“ gemeinsamer Beratung erzwungen werden. Die angestrebten Beratungsformen[1] stehen im Widerspruch zu den Vorgaben der Istanbul-Konvention eines Verbots verpflichtender alternativer Streitbeilegungsverfahren[2] und zu der im selben Koalitionsvertrag formulierten Verpflichtung zur Umsetzung derselben.

Dem Spannungsverhältnis von Gewaltschutz und Umgangsrecht darf nicht nur mit einem „Berücksichtigen“ begegnet werden. Diese Formulierung im Koalitionsvertrag lässt zu viel Spielraum hinsichtlich eines Umgangsrechts, welches für den gewalterleidenden Elternteil und dessen Kinder eine Gefahr sein könnte. Die Vorgaben der Istanbul-Konvention sind in Art. 31 eindeutig: Sie verbietet Kollisionen mit Anordnungen zum Gewaltschutz. Das heißt, dass ein Ausschluss des Umgangsrechts der Regelfall sein sollte.

Die einseitige Begründung eines gemeinsamen Sorgerechts durch den nichtehelichen Vater darf nicht in Fällen häuslicher oder sexualisierter Gewalt gelten. Hierfür müssen Kriterien formuliert werden, die eine automatische Mitsorgeberechtigung ausschließen.

Ein Fortbildungsanspruch für Familienrichter*innen schafft Anreize, sich fortzubilden. Um die großen Wissenslücken zu analoger und digitaler Gewalt gegen Frauen, insbesondere zu Gewaltdynamiken, zu beseitigen, braucht es jedoch eine ausdrückliche Fortbildungspflicht.

FHK-Forderungen auf einen Blick:

  1. Für Familien, in denen geschlechtsspezifische Gewalt stattfindet oder stattgefunden hat, kommen partnerschaftliche Modelle nicht in Betracht. Situationsangepasste Konzepte und Ausnahmen müssen in den gesetzlichen Regelungen mitgedacht werden.

  2. Das Wechselmodell darf weder Leitbild noch Regelfall für sorgerechtliche Regelungen sein. Die dafür erforderlichen Absprachen und auch wirtschaftlichen Ressourcen würden eine von Gewalt betroffene Eltern-Kind-Konstellation in besonderem Maße belasten, so dass in jedem Fall Ausnahmen formuliert werden müssen.

  3. Der Beschleunigungsgrundsatz und die örtliche Gerichtszuständigkeit gehören in Gewaltschutzfällen auf den Prüfstand. An die Verfahrensbeistandschaft müssen besondere Anforderungen geknüpft werden.

  4. Das Augenmerk muss auf Qualität und Quantität der Aus- und Fortbildung von Familien-richter*innen gerichtet werden. Neben einem Anspruch muss es auch eine Verpflichtung zur Fortbildung geben.

  5. Es sind gesetzliche Regelungen zu schaffen, die eine Kollision von Gewaltschutz und Umgangsrecht verhindern. Diese müssen eindeutig formuliert sein. Die richterliche Amtsermittlung bei Anzeichen oder Verdachtsfällen häuslicher Gewalt muss deutlicher im Gesetz verankert werden.

  6. Mit der Feststellung der Vaterschaft darf keine automatische Sorgerechtsbegründung verbunden werden. Wenigstens müssen Ausnahmetatbestände formuliert werden.

Die ausführliche Stellungnahme von FHK finden Sie unten stehend zum Download.

 


[1] S. 102 des Koalitionsvertrages: „Wir wollen gemeinsam mit den Ländern die Erziehungs-, sowie Trennungs- und Konfliktberatung verbessern und dabei insbesondere das Wechselmodell in den Mittelpunkt stellen.“

[2] Art. 48 Istanbul-Konvention