Stellungnahme von FHK zum Diskussionspapier für ein Demokratiefördergesetz

Im von BMI und BMFSFJ geplanten Demokratiefördergesetz spielt der Themenkomplex geschlechtsspezifischer Gewalt bislang keine Rolle. Trotz einer hohen Prävalenz gewaltbetroffener Frauen mit ihren Kindern und der Vorgaben der Istanbul-Konvention sehen sich Organisationen, die in diesem Themenfeld aktiv sind, einem regelmäßig zu geringen Förderetat gegenüber. Ohne Gleichstellung kann Demokratie nicht funktionieren. Obgleich nicht dazu eingeladen, nimmt FHK daher zum Diskussionspapier Stellung und fordert: Geschlechtsspezifische Gewalt ist ein für die Umsetzung der Menschenrechte fundamentales und eigenständiges Themenfeld, das ausdrücklich im Gesetz zu benennen ist.

 

Verschiedene Frauen halte Sticker in die Kamera mit der Aufschrift "Vote"

Frauenhauskoordinierung (FHK) nutzt die Gelegenheit einer Stellungnahme. FHK steht für eine zivilgesellschaftliche Nichtregierungsorganisation, die sich für das Hilfesystem für gewaltbetroffene Frauen und ihre Kinder einsetzt. Um die rechtliche und finanzielle Absicherung von Schutz und Beratung wird mit Politik, Gesetzgebung und Verwaltung gerungen. FHK leistet damit als Institution einen erheblichen zivilgesellschaftlichen Beitrag, der ohne entsprechende Förderung allerdings kaum möglich wäre.

FHK begrüßt daher die Initiative zu einem Demokratiefördergesetz ausdrücklich. Im Koalitionsvertrag sind entsprechende Absichtserklärungen getroffen worden, die sich auf die „Förderung demokratischen Engagements“, die „Kraft der Zivilgesellschaft“ und die Arbeit „auf Basis von Respekt, Toleranz, Würde und Menschenrechten“ beziehen.

Angesichts der sich abzeichnenden Strömungen in demokratischen Gesellschaften, polarisierend zu wirken und destabilisierenden Einfluss auf demokratische Prozesse zu nehmen, ist die Stärkung der Zivilgesellschaft besonders wichtig zum Erhalt und zur Festigung von Demokratie. Auch im Lichte vergangener und aktueller kriegerischer Aggression wird deutlich, wie wichtig das Hilfesystem für gewaltbetroffene Frauen und ihre Kinder in einer funktionierenden und aufmerksamen demokratischen Gesellschaft ist. Demokratie kann ohne Gleichstellung nicht funktionieren. Dennoch wird diese Demokratie aktuell durch antifeministische, frauen- und queerfeindliche Angriffe und Gruppierungen bedroht, die mindestens 50% der Bevölkerung nicht die gleichen Rechte, Freiheiten oder Selbst- und Mitbestimmung zugestehen wollen.

Die Arbeit von FHK besteht in der Umsetzung und Förderung elementarer Frauen- und Menschenrechte. Diese Rechte sind nicht verhandelbar. FHK steht in der Tradition der Frauenbewegung und engagiert sich für Geschlechtergerechtigkeit und Vielfalt. Dies bedeutet, dass in unserer Gesellschaft alle Men-schen unabhängig von Geschlecht, sexueller Identität, sozialer oder ethnischer Herkunft, Hautfarbe, Alter, Beeinträchtigung und Religion den gleichen Zugang zu Ressourcen, Einfluss und Wertschätzung haben müssen und so ihren jeweiligen Lebensentwurf selbstbestimmt leben können. FHK lehnt alle Formen von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit ab. Dazu gehören aus der Perspektive von FHK ausdrücklich geschlechtsspezifische Gewalt, Anti-Feminismus, LGBTIQ-Feindlichkeit und Sexismus. Auch Verschwörungserzählungen, Fake News, Hate Speech, diskriminierendes und undemokratisches Verhalten in den Sozialen und anderen Medien sind zu bekämpfen und politische Bildung ist zu fördern. Diese Aspekte müssen im Katalog des Demokratiefördergesetzes Niederschlag finden.

FHK beobachtet insbesondere eine wiederaufkeimende Frauenfeindlichkeit, Schwierigkeiten bei Sorge- und Umgangsrechtsregelungen im Falle von Gewalt gegen die Partner*in bzw. häuslicher Gewalt und fremdenfeindliche Argumentationen gegen den Aufenthalt von Migrant*innen in Frauenhäusern. Auch und gerade unter den Auswirkungen von Corona leiden Frauen und ihre Kinder besonders. Das Hilfesystem für gewaltbetroffene Frauen und ihre Kinder wurde seit Anbeginn der Pandemie vor besondere professionelle und finanzielle Herausforderungen gestellt. FHK erhob in dieser Krisensituation wie auch bereits schon seit zwanzig Jahren immer wieder die Stimme, da Frauenhäuser und Fachberatungsstellen regelmäßig in den Regelungswerken und bei staatlichen Unterstützungsmaßnahmen „vergessen“ wurden, Hilfen von Bund und Ländern in der Corona-Krise erst sukzessive und von Seiten der Länder nicht flächendeckend erfolgten. Geschlechtsspezifische Gewalt ist ein für die Umsetzung der Menschenrechte fundamentales und eigenständiges Themenfeld, das ausdrücklich im Gesetz zu benennen ist.

Trotz einer hohen Prävalenz gewaltbetroffener Frauen mit ihren Kindern und der Vorgaben der Istanbul-Konvention sehen sich Organisationen, die in diesem Themenfeld aktiv sind, einem regelmäßig zu geringen Förderetat gegenüber. Auch muss ein hoher Anteil der Ressourcen für die wiederkehrende Beantragung jeweils befristeter Projekte aufgebracht werden. Deshalb müssen bei der Verankerung des Gewaltschutzes im Demokratiefördergesetz eine Verstetigung bzw. Förderung sowie ein Verhältnisschlüssel für das Fördervolumen eingezogen werden.

Aufzunehmen ist die Abstützung einer großen Vielfalt von Organisationen, die eine pluralistische Gesellschaft abbildet. Begrüßt wird auch die beabsichtigte Klarstellung des Verhältnisses von politischer Betä-tigung und Erhalt der steuerbegünstigten Gemeinnützigkeit.

Gern beteiligt sich FHK im Gesetzgebungsverfahren und steht für Anregungen gern zur Verfügung.