Von November 2020 bis Januar 2021 wertete das journalistische Recherchezentrum Correctiv.org in Zusammenarbeit mit lokalen Medien und buzzfeednews täglich die Belegungsdaten der Frauenhäuser in fünf Bundesländern aus. Das Ergebnis: Die Anforderungen des Europarats und der seit 2018 rechtsgültigen Istanbul-Konvention verfehlt Deutschland weit. Regelmäßig müssen hilfesuchende Frauen abgewiesen werden. Zahlreiche Frauenhäuser waren im Untersuchungszeitraum durchgehend oder an sechs von sieben Wochentagen voll belegt. Eine Befragung von Frauenhaus-Mitarbeitenden bundesweit bestätigt die hohe Be- und Überlastung des Hilfesystems.
Platzmangel deutschlandweit
Die Datenauswertungen von Correctiv.org belegen, dass mit den Stadtstaaten Berlin und Bremen nur zwei Bundesländer die Quotenanforderungen des Europarats (1 Frauenhausplatz pro 7500 Einwohner_innen) erfüllen. Eine Berechnung anhand der Vorgaben der Istanbul-Konvention (1 Familienplatz pro 10.000 Einwohner_innen) war aufgrund der uneinheitlichen Platzdefinitionen der Länder nicht möglich.
Lagebild der Bundesländer
In drei Bundesländern - Hessen, Mecklenburg-Vorpommern und Nordrhein-Westfalen - wurde anhand der öffentlich einsehbaren Karten über drei Monate täglich die Belegung der Schutzeinrichtungen ausgewertet. In Brandenburg und Niedersachsen konnten über die Abfrage beim Land Daten ausgewertet werden. Besonders desolat gestaltet sich demnach die Lage in Hessen und NRW. So waren in NRW 9 von 70 Frauenhäusern, in Hessen sieben von 30 täglich voll belegt. Die anderen 61 Einrichtungen in NRW (24 in Hessen) konnten an nur einem von sieben Wochentagen einen Platz anbieten. InNiedersachsen waren etwa 34 von 43 der Frauenhäuser (Mai-Oktober 2020) an sechs von sieben Wochentagen voll belegt. In Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern stellte sich die Belegungslage etwas weniger dramatisch dar.
Die übrigen 11 Bundesländer stellen keine öffentlichen Platzübersichten bereit und gaben keine Rückmeldung zur Anfrage der Journalist_innen.
Die ausführlichen Ergebnisse können Sie im Bericht von Correctiv.org abrufen.
Stimmen aus der Fachpraxis
Über 92 Mitarbeiter_innen von Frauenhäusern in ganz Deutschland beteiligten sich außerdem an der Befragung zur Lage des Hilfesystems und der Situation seit Pandemiebeginn. Ihr Aussagen bestätigen die Datenauswertung der Journalist_innen und machen insbesondere die hohe Belastung deutlich, die sich nicht zuletzt aus der chronischen Unterfinanzierung des Hilfesystems - insbesondere personell - ergibt und in der Pandemie weitere Verstärkung erfahren hat.
Stimmen aus der Fachpraxis lesen ausführlich Sie im zugehörigen Artikel von Buzzfeednews sowie in einem weiteren Beitrag von Correctiv.org
In den kommenden Wochen werden neben Correctiv.org auch zahlreiche Lokalmedien die Recherchen aufgreifen. Eine regelmäßig aktualisierte Übersicht der erschienenen Artikel finden Sie hier.