Erste Daten zu Häuslicher Gewalt in der Corona-Krise

Zu Beginn der Ausgangsbeschränkungen warnten FHK und weitere Expert_innen vor einem Anstieg Häuslicher Gewalt. Nun liefert eine Umfrage der Deutschen Presseagentur (DPA) erste Zahlen zu den Entwicklungen in den einzelnen Bundesländern. Das Bild, das sich ergibt, ist einmal mehr ausgesprochen uneinheitlich.

Laut Umfrage der DPA bei den zuständigen Landesministerien und -ämtern ergibt sich für die Entwicklung der Fallzahlen von Häuslicher Gewalt seit Beginn der Corona-Krise bundesweit kein einheitliches Bild. Die Ergebnisse reichen von einem deutlichen Anstieg über Stagnation bis zu einem Rückgang der Fälle. Einige Länder konnten noch keine aussagekräftigen Zahlen vorlegen.

Deutlicher Anstieg in Stadtstaaten

Besonders in den Stadstaaten zeichnet sich eine deutliche Zunahme der Gewalt im Vergleich zum Vorjahr ab. Auch in einigen Flächenstaaten haben sich die Befürchtungen von Fachpraktiker_innen und -verbänden bewahrheitet:

  • Berlin: Die Zahl der eingeleiteten Strafverfahren im Bereich der häuslichen Gewalt stiegen mit den ersten Lockerungen allein im April um rund 50 Prozent auf 1565 Fälle (Vorjahr: 1089 Verfahren). Zum Höhepunkt der Lockerungen im Juni 2020 vermerkt die Berliner Gewaltschutzambulanz einen Zunahme an Klient_innen um 30 Prozent.
  • Brandenburg: Von Mitte März bis Mitte Mai verzeichnet Brandenburg 22,5 Prozent mehr Anzeigen wegen häuslicher Gewalt als 2019.
  • Bremen: Frauenhäuser verzeichnen laut der Gesundheitssenatorin seit Mitte Juni eine erhöhte Nachfrage, die Platzauslastung liegt bei über 100 Prozent.
  • Hamburg: Von Januar bis Juni 2020 verzeichnet die Polizei 2252 Delikte im Bereich der Beziehungsgewalt, 2019 waren es im gleichen Zeitraum noch 1812.
  • Hessen: In den ersten drei Monaten wurden in Hessen 756 Anträge gemäß Gewaltschutzgesetz und damit in etwa so viele wie im Vorjahreszeitraum gestellt. Für die Monate April-Juni (die Hochphase der Corona-Maßnahmen) liegen noch keine Daten vor.
  • Mecklenburg-Vorpommern: Laut Polizei gab es von März bis Mai 2020 deutlich mehr Vorgänge und Straftaten im Zusammenhang mit häuslicher Gewalt als im Vorjahreszeitraum - im Monat April waren es sogar doppelt so viele.
  • Rheinland-Pfalz: Mit etwa 4843 Opfern von häuslicher Gewalt im ersten Halbjahr 2020 ist die Zahl gegenüber 2019 (1827) laut Polizeilicher Kriminalstatistik ungefähr gleichbleibend. 
  • Saarland: Von Januar bis Juni 2020 gab es gegen 1213 Personen Ermittlungsverfahren im Bereich Häuslicher Gewalt, im Vergleichszeitraum 2018 waren es noch 1149.
  • Sachsen-Anhalt: Die Stelle der Landesintervention und -koordination bei häuslicher Gewalt und Stalking vermeldet eine sichtbare Zunahme an Beratungsanfragen, insbesondere bei sexualisierter Gewalt, seit Mitte März.
  • Schleswig-Holstein: Das Bundesland verzeichnet seit Ausbruch der Corona-Krise im März 2020 bislang keine relevante Zunahme von häuslicher Gewalt.
  • Thüringen: Laut Polizeidirektion ist weder in der Polizeistatistik noch in der Belegung von Frauenhäusern und Schutzwohnungen seit Beginn der Pandemie ein größerer Anstieg der Fälle häuslicher Gewalt zu erkennen, allerdings liegt noch keine abschließende Statistik vor.

Weniger Gewalt in einzelnen Bundesländern?

Auffällig sind im Kontrast dazu Meldungen aus Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen. Dort kam es zu einem Rückgang der Fallzahlen um 11,7 Prozent und im Falle von NRW sogar 21 Prozent.

Gerade diese Zahlen sind jedoch im Licht eines deutlich veränderten, nämlich durch verminderte Kontakte eingeschränkten, Anzeigeverhaltens zu lesen und lassen nicht automatisch auf einen Rückgang der Gewaltfälle schließen, wie auch verschiedenen Landesministerien hingewiesen haben. Erste Meldungen aus verschiedenen Regionen für den Monat Juni verdeutlichen, dass ein Anstieg der Fallzahlen erst im Zuge der deutlich gelockerten Kontaktbeschränkungen sichtbar wird.


Die Zahlen in diesem Beitrag beruhen auf Angaben veröffentlicht in Focus (DPA), Berliner Kurier, Insuedthüringen.de, Mitteldeutscher Zeitung, rbb24 und Spiegel.