Erste Studie zu Häuslicher Gewalt in der Corona-Pandemie

Drei von hundert Frauen in Deutschland wurden während der Ausgangsbeschränkungen Opfer physischer häuslicher Gewalt, bei 4,6 Prozent kontrollierte der Partner Kontakte nach außen. Fast keine der Betroffenen nahm Hilfeangebote in Anspruch. Das belegt die erste repräsentative Erhebung zur Verbreitung häuslicher Gewalt während der Corona-Pandemie, durchgeführt durch die Technische Universität München und dem Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung.

Foto: William Iven (Unsplash)

Schon früh wurden im Laufe der Pandemie die Rufe nach belastbaren Zahlen zur Entwicklung häuslicher Gewalt während der Ausgangsbeschränungen laut. Mittels einer Online-Befragung von rund 3800 Frauen im Alter von 18 bis 65 Jahren ermittelten Teams der Technischen Universität München (TUM) und des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung zwischen März und April erste Erfahrungswerte abgefragt. Die Studie gilt hinsichtlich Alter, Bildungsstand, Einkommen, Haushaltsgröße und Wohnort als repräsentativ für die deutsche Bevölkerung. Da sich vorherige Studien zu geschlechtsspezifischer Gewalt in der Regel auf längere Zeiträume bezogen, lassen sich die Ergebnisse nicht unmittelbar mit Daten vor der Pandemie vergleichen.

Ergebnisse im Überblick

Befragt nach den Erfahrungen während des Monats mit den strengsten Kontaktbeschränkungen (März/April 2020), gaben 

  • 3,1 % der Befragten an, mindestens einmal körperliche häusliche Gewalt, z.B. Schläge, erfahren zu haben;
  • 3,6 % der Frauen an, ihr Partner habe sie zu Geschlechtsverkehr gezwungen;
  • 6,5 % der Teilnehmer_innen an, Kinder im Haushalt seien durch körperliche Gewalt bestraft worden;
  • 3,8 % der Frauen an, sich durch ihren Partner bedroht zu fühlen;
  • 2,2 % an, dass sie das Haus/die Wohnung nur mit Erlaubnis des Partners verlassen durften;
  • 4,6 % der Befragten an, ihr Partner habe – auch ihre digitalen – Kontakte zu anderen Personen reguliert.

Wichtige Einflussfaktoren

In höherem Maße betroffen, waren Haushalte, in denen

  • sich die Befragten in Quarantäne befanden;
  • im Haushalt Kinder unter 10 Jahren lebten;
  • einer der Partner_innen pandemiebedingt in Kurzarbeit oder arbeitslos war;
  • in der Familie akute finanzielle sorgen bestanden;
  • oder einer der Partner_innen unter Angst oder Depressionen litt.

Hilfeangebote bekannt, aber nicht genutzt?

Besonders relevant auch mit Blick auf polizeiliche Fallzahlen und die Entwicklung der Nachfrage in Frauenhäusern und Beratungsstellen: Nur ein schwindend geringer Teil der betroffenen Frauen nutzte Hilfeangebote, obwohl zentrale Anlaufstellen einem nicht geringen Teil durchaus bekannt waren. Unter den gewaltbetroffenen Frauen

  • kannten 48,2 % die Telefonseelsorge, doch nur 3,9 % riefen dort auch an.
  • kannten 32,4 % kannten das Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“, genutzt wurde es von gerade einmal 2,7%.
  • war 44,3 % das Elterntelefon bekannt, immerhin 21,5 % suchten dort Hilfe.
  • hatten 5,5 % bereits vom Codewort "Maske 19“ gehört und 1,8 % das Angebot auch genutzt.

Neben verstärkter Öffentlichkeitsarbeit für die angebote legt dies vor allem nahe, dass digitale Beratungsangebote im Zuge der Pandemie besonderer ausweitung bedürfen, damit Frauen auch im eigenen Zuhause und – anders als bei telefonischer Beratung – ggf. vom Partner unbemerkt Unterstützung finden können.

Genauere Informationen zur Studie finden Sie in der zugehörigen Pressemitteilung. Wietere Ergebnisse im Überblick können Sie hier einsehen.