Berlin, 08. Oktober 2024. Über 14.200 Frauen und rund 16.000 Kinder haben 2023 Schutz in Deutschlands Frauenhäusern gefunden. Das geht aus der heute veröffentlichten Frauenhaus-Statistik 2023 von Frauenhauskoordinierung e.V. (FHK) hervor. Die Statistik von FHK ist die einzige Erhebung, die jährlich bundesweite Daten zu Frauenhäusern und ihren Bewohner*innen bereitstellt. Die Berechnungen für das Jahr 2023 beruhen auf Angaben zu 6.264 Frauen und 7.043 Kindern aus 176 der insgesamt rund 400 Frauenhäuser in Deutschland.
Mehr als ein Viertel der Bewohner*innen (28 %) musste dabei im vergangenen Jahr die Kosten des Aufenthalts anteilig oder vollständig selbst tragen. Die Frauenhaus-Statistik von FHK zeigt zudem, dass der Anteil von Frauen, die wohnortnah Platz in einem Frauenhaus finden, seit Jahren kontinuierlich sinkt. Während 2013 noch 54 % der Frauen in der eigenen Stadt bzw. Kommune Schutz fanden, waren es 2023 nur noch 36 %. Gleichzeitig können jährlich tausende Schutzsuchende gar nicht aufgenommen werden: Laut einer bundesweiten Kostenstudie mussten die Schutzeinrichtungen allein im Jahr 2022 16.382 Frauen aufgrund von Platzmangel abweisen.
„Diese Zahlen sind alarmierend und zeigen den dringenden Handlungsbedarf. Die Istanbul-Konvention und die EU-Richtlinie zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt vom Mai dieses Jahres verpflichten Deutschland, allen gewaltbetroffenen Frauen und Mädchen umfassenden Schutz und diskriminierungsfreie Unterstützung zu geben. Frauen sind nach wie vor unverhältnismäßig stark von geschlechtsspezifischer und häuslicher Gewalt betroffen“, erklärt Christiane Völz, Vorstandsvorsitzende von FHK. „Und noch immer fehlen bundesweit über 14.000 Frauenhausplätze. Um wirksamen Schutz vor Gewalt zu gewährleisten, muss daher dringend noch in diesem Jahr das im Koalitionsvertrag versprochene Gewalthilfegesetz auf den Weg gebracht werden.“
Sonderauswertung: Kostenbeteiligung erhöht Risiko, zum gewalttätigen Partner zurückzukehren
Im Jahr 2023 betrug die durchschnittliche Aufenthaltsdauer im Frauenhaus 73 Tage. Die längsten Aufenthalte (145 Tage) hatten Frauen, die nach dem Frauenhaus eine neue Wohnung bezogen. Das gelang jeder vierten Bewohnerin (24 %). Die kürzeste Aufenthaltsdauer wiesen hingegen Frauen auf, die sich aufgrund ihrer Einkommenssituation (z.B. kein Anrecht auf sozialstaatliche Leistungen und/oder eigenes Einkommen) an den Kosten das Aufenthalts beteiligen mussten. Damit verbunden war zudem eine höhere Wahrscheinlichkeit, zum gewalttätigen Partner zurückzukehren. Diesen Schritt gingen 16 % der erfassten Bewohner*innen.
„Nur mit einem Rechtsanspruch auf kostenfreien Zugang zu Unterstützung können wir verhindern, dass Frauen sich aus finanzieller Not gezwungen sehen, in eine Gewaltbeziehung zurückzukehren, oder in prekäre Lebensverhältnisse gedrängt werden“, betont FHK-Geschäftsführerin Sibylle Schreiber.
Bislang existiert in Deutschland kein rechtlicher Anspruch auf Schutz und Hilfe bei Gewalt. Die Finanzierung der Frauenhäuser ist trotz steigender Zahlen von Partnerschaftsgewalt weiter uneinheitlich und oftmals unsicher und prekär.
Frauenhauskoordinierung appelliert daher an die Politik, noch in diesem Jahr die notwendigen Schritte für das im Koalitionsvertrag zugesagte Bundesgesetz einzuleiten.
„Es ist an der Zeit, dass die Politik ihren Worten Taten folgen lässt und Opferschutz auch jenseits von Scheindebatten über elektronische Fußfesseln und Strafrecht ernst nimmt“, so Schreiber weiter. „Das Gewalthilfegesetz wäre ein entscheidender Schritt, um die Rechte von Frauen und Kindern zu stärken.“
Die Frauenhaus-Statistik 2023 ist als Kurzfassung sowie in der vollständigen Version untenstehend kostenfrei abrufbar.
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