Berlin, 02. September 2024. Zwei vollendete und ein versuchter Femizid in Berlin allein in der vergangenen Woche zeugen von massiven Lücken beim Schutz von Frauen und Kindern. Der kürzlich von der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag vorgelegte „Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches und weiterer Gesetze – Verbesserung des Opferschutzes, insbesondere für Frauen und verletzliche Personen“ verfehlt jedoch seinen Anspruch, wirksam vor Partnerschaftsgewalt zu schützen. Frauenhauskoordinierung e.V. (FHK) kritisiert insbesondere den zunehmenden Fokus auf strafrechtliche und hochschwellige Maßnahmen. Um Deutschlands internationalen Verpflichtungen gerecht zu werden, fordert FHK dringend eine zeitnahe Verabschiedung des versprochenen Gewalthilfegesetzes sowie umfassende Investitionen in Prävention und Gewaltschutz.
Allein im Jahr 2023 erfasste die Polizei in Deutschland 132.966 weibliche Betroffene von Partnerschaftsgewalt, die Dunkelziffer wird in der Wissenschaft um ein Vielfaches höher eingeschätzt.
„Wir begrüßen, dass das Thema Gewalt gegen Frauen auch in der Opposition stärker auf die politische Agenda rückt. Aber die Engführung der Diskussion auf strafrechtliche Maßnahmen und Tötungsdelikte geht an den dringlichsten Bedarfen der Mehrzahl von Betroffenen vorbei“, erklärt FHK-Vorstandsvorsitzende Christiane Völz.
Symbolische Maßnahmen ohne Präventionswirkung
Der Gesetzesentwurf sieht u.a. vor, den Mordparagraphen um das Merkmal „Ausnutzung der körperlichen Überlegenheit“ zu erweitern.
„Das eigentlich zielführende Verbesserungspotenzial im Recht liegt nicht in einem weiteren Mordmerkmal, sondern in der Rechtsanwendung und Sensibilisierung der Justiz“, kritisiert FHK-Geschäftsführerin Sibylle Schreiber. „Generell setzt das Strafrecht zu spät an, um Gewalt zu verhindern. Der entscheidende Schritt für breitenwirksamen Schutz wäre, endlich so umfassend in Hilfesystem und Prävention zu investieren, wie sich Deutschland mit der Istanbul-Konvention und auch der neuen EU-Richtlinie verpflichtet hat.“
Darüber hinaus fordert die CDU/CSU die Einführung elektronischer Fußfesseln für Gewalttäter, wie sie derzeit auch im Bundesrat diskutiert wird. Die verfassungsrechtlichen Hürden für den Einsatz einer solchen Maßnahme sind allerdings hoch. Die beliebten Vergleiche mit dem spanischen Modell sind zudem nur begrenzt vergleichbar, da die Maßnahmen dort nicht nur vor einem anderen Rechtshintergrund erfolgen, sondern auch in ein Gesamtkonzept und Hochrisikomanagement eingebettet sind. Davon ist Deutschland weit entfernt.
„Strafrecht und hochschwellige Überwachung im Einzelfall sind kein Ersatz für Prävention und Unterstützungsangebote“, so Schreiber weiter. „Wenn wir mehr als einen Bruchteil der über 132.000 Betroffenen und auch ihre Kinder schützen wollen, dann müssen Bund und Länder, Regierung wie Opposition ihren Fokus jetzt auf die zeitnahe Einführung des versprochenen Gewalthilfegesetzes legen.“