Studie zu Umgangsrecht benennt eklatante Mängel im deutschen Familienrecht

Die Studie „Familienrecht in Deutschland – Eine Bestandsaufnahme“, vorgelegt von Dr. Wolfgang Hammer, belegt anhand von über 1000 familiengerichtlichen Fällen deutlich, was FHK und Gewaltschutzeinrichtungen schon seit Jahren immer wieder aufzeigen, ohne damit in politischen Entscheidungen maßgeblich durchzudringen: Umgangsentscheidungen an deutschen Familiengerichten tragen regelmäßig zur Gefährdung von Frauen und Kindern bei.

Justizia mit Schwert und verbundenen Augen hält ein Kind an der Hand

Dr. Wolfgang Hammer, April 2022

 

Die frisch veröffentlichte Studie „Familienrecht in Deutschland – Eine Bestandsaufnahme“ des Soziologen und Mitglieds des Wissenschaftlichen Beirats des Deutschen Kinderhilfswerks Dr. Hammer befasst sich mit familiengerichtlichen Verfahren und der Kinder- und Jugendhilfe in Bezug auf das Sorge- und Umgangsrecht.[1] Die angestrebten Ziele der Kindschaftsrechtsreform von 1998 und des Verfahrensrechts der Familiengerichtsbarkeit von 2009, nämlich möglichst gemeinschaftliche Ausübung des Sorgerechts und beschleunigte Verfahren mit Vereinbarungen, werden auf den Prüfstand gestellt.

Dazu wurden mehr als 1.000 familiengerichtliche Fälle und davon 92 Verfahren, die vor dem Bundesverfassungsgericht und Bundesgerichtshof landeten, untersucht. In einem zweiten Teil werden über 1.000 Fälle von Inobhutnahmen bzw. Fremdunterbringungen (davon einige aus Österreich und der Schweiz) analysiert.

Fragwürdige Narrative hinter Entscheidungen

Laut Vorwort der Studie entspringen viele dieser Entscheidungen vier Narrativen: (1) Mütter entfremden Kinder; (2) nur eine 50:50 Aufteilung der Betreuungszeit lässt Kinder gesund aufwachsen; (3) Mütter wollen Kinder und Geld sowie (4) Mütter erfinden Gewalt und Missbrauch.

Damit räumt der Autor der Studie gründlich auf. Er führt dies darauf zurück, dass diese Behauptungen jahrelangem Framing und Doktrinen von Lobbyorganisationen entspringen. Durch die umfangreiche Analyse der ausgewählten Akten und am Beispiel von Fortbildungsangeboten untersetzt er diese These.

Er beleuchtet die Belastung der Kinder in den Verfahren durch deren lange Dauer und wiederholte Befragungen durch eine Vielzahl von teilweise nicht dafür ausgebildeten Berufsgruppen. Kindern werde eine Mit-Verantwortung für ihr eigenes Lebensschicksal auferlegt, der sie altersgemäß nicht entsprechen können. Von Gewalt betroffene Mütter halten entsprechenden Tatsachenvortrag zurück, weil sie berechtigt negative Konsequenzen auf ihr Sorgerecht und die Gestaltung des Umgangsrechts befürchten.

Forderungen entsprechen Einschätzung von FHK

Die Herleitungen und konkreten Zitate aus den Fallakten rütteln auf und lassen eine Verharmlosung nicht zu. Viele der in der Studie genannten Empfehlungen decken sich mit denjenigen von Frauenhauskoordinierung: Sei es nach Ernstnehmen des Vortrags von häuslicher und sexualisierter Gewalt, Aus- und Fortbildung sämtlicher Berufsgruppen, Beseitigung struktureller Defizite (auch personelle Aufstockung der mit den Verfahren befassten Institutionen), keinem Wechselmodell als Regelfall, keinen Beratungs- und Mediationsverpflichtungen oder Datenerhebungen und weiterführenden Studien.

Dr. Hammer wagt sogar Sätze wie diese:

„Es besteht dringender Handlungsbedarf. Was hier in Deutschland geschieht, steht im Widerspruch zum Grundgesetz, zur UN-Kinderechtskonvention, zur Istanbul-Konvention und zum Kinder- und Jugendhilfegesetz. Sämtliche Erkenntnisse internationaler Forschung und der Runden Tische zum Sexuellen Kindesmissbrauch werden nicht nur ignoriert, sondern teilweise ins Gegenteil verkehrt. Nicht akzeptabel ist, dass solche gravierenden Rechtsverletzungen ignoriert werden oder beispielsweise als Jugendamts-Bashing abqualifiziert werden.“

Und

„Wir dürfen in Deutschland keiner kinder- und frauenfeindlichen Ideologie einen Raum geben, auf deren Basis in Jugendämtern und Familiengerichten Grundrechtseingriffe vorgenommen werden und Kindern der Schutz vor Gewalt, Entwürdigung und sexuellem Missbrauch genommen wird.“

Frauenhauskoordinierung hofft, dass diese Studie ernst genommen wird und angesichts angekündigter Reformen im Familienrecht Gehör findet.

 


[1] Einzelheiten im Faktenblatt und in der Pressemitteilung