In ihrer Rede vor dem UN-Menschenrechtsrat in Genf am 22. Juni 2023 bezeichnete UN-Sonderberichterstatterin Alsalem die insitutionelle Gewalt durch Familiengerichte als unerkanntes Menschenrechtsproblem. Es sei hochgradig beunruhigend, dass Kinder bei nachgewiesener Gewalt gerichtlich zum Kontakt mit dem Täter verpflichtet würden "only because contact with that parent was considered more important than any other consideration, including the safety and security of that child".
Auch Deutschland hat sich mit der Istanbul-Konvention zur Berücksichtigung häuslicher Gewalt bei Sorge- und Umgangsentscheidungen verpflichtet. Erst im letzten Jahr hatte jedoch die GREVIO-Komission des Europarats die mangelhafte Umsetzung in Deutschland kritisiert.
"Artikel 31 der Istanbul-Konvention verpflichtet auch Deutschland dazu, Partnerschaftsgewalt bei Sorge- und Umgangsentscheidungen zu berücksichtigen. Darüber setzen sich deutsche Familiengerichte regelmäßig hinweg, wenn sie den Kontaktanspruch des Täters höher bewerten als die Sicherheit von Frauen & Kindern. Über solche erzwungenen Kontakte können Gewalttäter ihre Kontrolle und Gewalt ungehindert fortsetzen – im Schlimmstfall bis zur tödlichen Eskalation." - Dorothea Hecht, Referentin Recht, Frauenhauskoordinierung e.V.
UN-Bericht „Custody, violence against women and violence against children“
Alsalem fasste mit ihrer Rede zentrale Erkenntnisse des jüngst veröffentlichen UN-Berichts „Custody, violence against women and violence against children“ (Deutsch: Umgang, Gewalt gegen Frauen und Gewalt gegen Kinder") zusammen.
"How can family courts be the scene of such egregious forms of violence against mothers and children with such total impunity? How can they result in such a perpetual state of suffering and result in such colossal miscarriage of justice by institutions that are meant to realize justice and protect victims?" - Reem Alsalem, UN-Sonderberichterstatterinzu Gewalt gegen Frauen und Mädchen
Der Bericht deckt gravierende Mängel bei der Entscheidungspraxis im Kontext häuslicher Gewalt auf und kritisiert insbesondere die anhaltende Nutzung wissenschaftlich widerlegter Konzepte wie der sogenannten „Elterlichen Entfremdung" und weiterer misogyner Mythen zum Nachteil von Frauen. Zahlreiche Beispiele aus unterschiedlichen UN-Mitgliedsstaaten unterfüttern die Analyse des UN-Berichts, der mit konkreten Forderungen an die Politik abschließt.
Der vollständige Bericht in Englischer Sprache ist frei online zugänglich.
Besondere Kritik üben der Bundesverband alleinerziehender Mütter und Väter e.V. sowie die Mütterinitiative für alleinerziehende (MIA e.V.) am Ausbleiben einer Reaktion der Bundesregierung. Die deutsche UN-Delegation habe sich trotz der nachweislich problematischen Lage in Deutschland nicht zum Bericht geäußert, heißt es in der entsprechenden Pressemeldung.
Eine deutsche Übersetzung der Rede Alsalems nebst englischem Originaltext stellt MIA e.V. zur Verfügung.